Erhalten

Erhalten

Erhalten, verb. irreg. act. (S. Halten,) welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist.

1. Dinge halten, welche fallen oder sich entfernen wollen, die Entfernung oder Bewegung eines Körpers durch Halten hindern. 1) Eigentlich. Das Kind wollte fallen, aber ich habe es noch erhalten. Es war ein so starker Wind, daß man sich kaum erhalten konnte. Auf dem Eise kann man sich nicht alle Mahl erhalten. Die Pferde rissen aus, und der Kutscher konnte sie kaum erhalten. Der Kranke fantasiret so heftig, daß vier Männer ihn kaum erhalten können. 2) Figürlich. (a) In seinem Besitze behalten. Es ist eine eben so große Kunst sein Vermögen zu erhalten, als es zu gewinnen. Man kann nichts vor den Dieben erhalten. Im Oberdeutschen ist diese Bedeutung in einem noch weitern Umfange üblich, indem dieses Zeitwort daselbst auch für ersparen gebraucht wird; ich erhalte mir viele Unkosten. (b) Die Fortdauer einer Sache in einem gewissen Zustande bewerkstelligen. Sich gesund erhalten. Jemanden bey Ehren halten. Ein Haus, ein Gut in gutem Stande erhalten. Sich in jemandes Gunst erhalten. Ich kann den Kranken nicht im Bette erhalten, ihn nicht bewegen, im Bette zu bleiben. Sich bey einem Amte erhalten. In weiterer Bedeutung, überhaupt die Fortdauer einer Sache bewerkstelligen. Einem das Leben erhalten; im gemeinen Leben, jemanden bey dem Leben erhalten. Ehre erhält die Künste. Seinen Credit erhalten. Das ganze Dorf ist abgebrannt, nur allein die Kirche ist noch erhalten worden. Gott erhält die Welt, wenn er ihr Kräfte zur Fortdauer gibt. Das Gerücht erhält sich lange. Im Schwedischen lautet das Zeitwort in diesem Verstande uppehålla, woraus denn erhellet, daß er auch in dem Deutschen Worte für auf stehet. (c) In engerer Bedeutung, die Fortdauer des Lebens durch Reichung der nöthigen Bedürfnisse bewerkstelligen, unterhalten. Jemanden im Essen und Trinken erhalten. Er hat viele Leute zu erhalten. Wovon erhält er sich? Weib und Kinder zu erhalten haben. Er hat sich auf der wüsten Insel mit Kräutern und Wurzeln erhalten.

2. Eine Sache aus der andern hervor bringen. 1) Eigentlich, von Dingen, welche wir durch unsere Bemühung aus andern hervor bringen; doch nur in einigen Fällen. Ich habe die Erde destilliret, aber nichts daraus erhalten. Aus einem Zentner Bleyerz erhielt man in der Schmelzung eine Mark Silber. So auch in dem mehr figürlichen Gebrauche. Ich habe durch mein vieles Bitten nichts von ihm erhalten können. Ich kann nichts von ihm erhalten. Etwas durch Zwang von jemanden erhalten. Endlich habe ich es von ihm erhalten, daß er sich der Sache annimmt. Ich kann alles von ihm erhalten. 2) Durch seine Bemühung in seinen Besitz bringen; welche Bedeutung im Hochdeutschen doch nur noch in einigen Fällen gebraucht wird. Den Sieg erhalten. Die Soldaten haben viele Beute erhalten. Geld durch seine Arbeit erhalten. Im Kriege viele Länder erhalten. Welche beyden letztern Redensarten doch mehr Oberdeutsch sind. 3) Zuweilen auch von solchen Dingen, welche ohne unsere nähere Bemühung in unsern Besitz kommen, für das etwas niedrigere bekommen. Briefe erhalten. Ich habe eine gute, eine unangenehme, eine traurige Nachricht erhalten. Ich habe noch kein Geld von ihm erhalten. Eine abschlägige Antwort erhalten. Ein einträgliches Amt erhalten. Einen Befehl, eine angenehme Nachricht erhalten. Der Missethäter hat Gnade, hat sein Todesurtheil erhalten. Vieles Lob, vielen Ruhm erhalten. Jeder einzelne Mensch hat einen gewissen Grad des Geschmackes entweder von der Natur erhalten, oder durch die Gewohnheit erlangt. 4) Darthun, beweisen, erhärten, im Oberdeutschen und den Hochdeutschen Kanzelleyen. Etwas eidlich erhalten.

So auch die Erhaltung, plur. inus. in allen obigen Bedeutungen.

Anm. So fern dieses Wort servare bedeutet, ist dafür bey dem Notker und Ottfried theils das einfache halten, theils auch gehalten üblich. In der zweyten Hauptbedeutung scheinet er so viel als aus zu bedeuten, halten aber in seiner ersten Bedeutung zu stehen, mit der Hand fassen. In der zweyten und dritten untergeordneten Bedeutung leidet es auch den Verstand der Annäherung, der Einhohlung, wie erreichen, erlangen, ergreifen, u.s.f. In der letzten Bedeutung wird es nur von Dingen gebraucht, die uns von außen widerfahren, und zwar auch hier am häufigsten von angenehmen, einige wenige entgegen gesetzte Fälle ausgenommen.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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