Geben

Geben

Gêben, verb. irreg. ich gebe, du gibst, er gibt, Conjunct. ich gebe; Imperf. ich gab, Conjunct. ich gäbe; Mittelw. gegeben; Imperat. gib. Es ist in doppelter Gestalt üblich.

I. Als ein Activum, welches die dritte Endung der Person erfordert.

1. Eigentlich, darreichen, in die Hand reichen, als ein allgemeiner Ausdruck, der das Eigenthum an und für sich unentschieden lässet, von der körperlichen Überreichung. Gib mir das Buch. Einem zu trinken geben. Seinem Freunde die Hand geben. Ich habe ihm das Geld schon gegeben. Geld für die Waare, Waare für Waare geben. Ich habe zehen Thaler dafür gegeben. So viel gebe ich nicht dafür. Steuern und Gaben geben. Den Bedienten ihren Lohn geben. Einem etwas in die Hand geben. Ich habe zehen Thaler darauf gegeben, als ein Angeld. Den Zehenten geben. Einem ein Geschenk, etwas zum Geschenke geben. Den Armen ein Almosen geben. Dem Viehe sein Futter, dem Gläubiger ein Pfand geben. Unser täglich Brot gib uns heute. Einem etwas unter den Fuß geben, figürlich, es ihm heimlich anrathen, ihm heimlich Nachricht davon ertheilen. Ich kann es dafür, für den Preis, nicht geben, nicht weggeben. Wenn geben für abgeben stehet, so wird statt des Datives der Person die Präposition an gebraucht. Von dem Gewinste fünf von Hundert an das Waisenhaus geben. Ich habe den Brief an deinen Bruder gegeben. In weiterer Bedeutung auch von andern Arten, sich einer Sache zu entledigen. Die Speisen wieder von sich geben, durch das Erbrechen. Besonders wenn die Sache einem andern übertragen wird.

2. Figürlich, wo dieses Wort in sehr vielen Fällen und oft mit allerley Nebenbegriffen gebraucht wird, davon die vornehmsten etwa folgende seyn möchten.

1) Unentgeldlich geben, schenken. Er gibt nicht gerne. Einen Ball, einen Schmaus geben, auf seine Kosten veranstalten. Seine Habe den Armen geben.

2) Das Eigenthum, oder den Gebrauch einer Sache einem andern übertragen. Einem ein Land zu regieren geben. Einem seine Tochter zur Frau geben. Dem Kinde einen Nahmen geben.

3) Mittheilen, auch von unkörperlichen Dingen. Einem einen guten Rath, einen Anschlag, gute Lehren, heilsame Ermahnungen geben. Einem Unterricht in den schönen Wissenschaften geben. Einem eine Stunde auf dem Claviere geben, d.i. stundenweise Unterricht auf dem Claviere ertheilen. Sie gab ihm einen Kuß. Einem einen Verweis, einen Schlag, eine Ohrfeige, derbe Prügel geben. Er gab mir einen Wink mit den Augen. Einem Nachricht von etwas geben. Gott hat dir vielen Verstand gegeben. Einem ein Amt geben. Einem Macht, Gewalt, Recht zu etwas geben.

4) Hervor bringen, entstehen lassen, die Ursache einer Wirkung seyn, in vielen mehrentheils bereits eingeführten Fällen, die man nicht nach Gutdünken vermehren darf. Einem lose Worte geben, lose Worte gegen ihn hervor bringen. Ich habe ihm die besten Worte von der Welt gegeben.


So viel ich euch auch gute Worte gab,

Gell.


Geben sie mir die Ehre ihres Besuchs. Ich gebe mir die Ehre. Er weiß sich ein rechtes Ansehen zu geben. Gib mir immer den erquickenden Trost, daß ich dich bald freudiger wieder sehen werde, Weiße. Gott gebe es! Gott gebe, daß ich ihn wieder sehe! Einem Hause Licht geben. Dem Hause zehen Ellen Tiefe geben. Er kann keinen Laut von sich geben. Einem etwas zu thun, zu rathen geben. Er gab mir keine Antwort. Einen Leibeigenen frey geben. Gelegenheit, Anlaß zu etwas geben. Einem ein Ärgerniß geben, eine unrechtmäßige Handlung vornehmen, welche zu Veranlassung solcher Handlungen bey andern eingerichtet ist. Ein gegebenes Ärgerniß, zum Unterschiede von einem genommenen. Seinen Kindern eine gute Erziehung geben. Alles das gibt mir kein Vergnügen. Dem Holze eine Gestalt geben. Die Wollust, welche der Wein gibt, rauschet schnell vorüber. Das wird einen artigen Spaß geben. Einem etwas zu lesen, zu verstehen, zu erkennen, zu vernehmen geben. Ein Wort gab das andere, veranlassete das andere. Gott, gib uns einen sanften Regen. Gott ist es, der uns Frieden geben muß. Seinen Segen zu etwas geben. Rechenschaft von etwas geben. Einem ein gutes Beyspiel geben. Sich eine fromme Miene geben, sie annehmen. Und so in vielen andern Fällen mehr, welche aus dem Gebrauche erlernet werden müssen.

5) Verstatten. Einem Erlaubniß zu etwas geben. Ich will ihm noch acht Tage Frist, Bedenkzeit geben. Ich habe ihm Zeit genug dazu gegeben. Dem Sauerteige Zeit zur Gahre geben. Einem Gehör geben, ihn anhören.

6) Sein Wort von sich geben, sich wörtlich zu etwas anheischig machen. Sie hat endlich ihr Ja von sich gegeben. Einem sein Wort geben, ihm etwas feyerlich versprechen. Einem seine Stimme geben, für ihn, zu seinem Besten stimmen. Ich habe meine Einwilligung noch nicht dazu gegeben. Seine Gedanken von sich geben, sie andern bekannt machen. Er kann es nicht von sich geben, kann seine Gedanken andern nicht verständlich machen.

7) Sich Mühe geben, Mühe anwenden. Ich weiß nicht warum ich mir seinetwegen so viele Mühe gebe, Gell. Er gibt sich viele Mühe um dich, ebend. Geben sie sich keine Mühe, mir die Gefahr geringe zu machen. Acht geben, aufmerksam seyn. Geben sie Acht, es wird alles gut gehen.

8) Einem Recht, Unrecht geben, sagen, daß er Recht, Unrecht habe. Geben sie ihm nur in allem Recht, so haben sie Ruhe vor ihm. Ich gebe ihr funfzig Jahr, ich behaupte, vermuthe, daß sie funfzig Jahre alt ist. Ich gebe ihm höchstens noch zwanzig Jahr, glaube, daß er höchstens noch zwanzig Jahre leben könne. Etwas verloren geben, es für verloren halten. Einem alle Schuld geben, behaupten, daß er alle Schuld habe.

9) Sich zufrieden geben, zufrieden werden, sich beruhigen. Gib dich nur über deinen Irrthum zufrieden.


Ich werde mich nicht eh zufrieden geben,

Als bis ihr diesen Wunsch erfüllt,

Gell.


Sich bloß geben, seine Schwäche sehen lassen, sich verrathen.

10) Sich geben, nicht mehr Widerstand leisten, nachgeben. Sie wird sich schon noch geben. Sie zankten sich noch lange Zeit, und weil sich keiner geben wollte, u.s.f. Lichtw. Das wird sich schon geben, wird schon vorüber gehen, unsern Wünschen gemäß erfolgen. Das gibt sich von sich selbst. Das Tuch gibt sich, läßt sich dehnen, gibt nach. Dahin gehöret auch die im gemeinen Leben übliche figürliche R.A. er wird es schon näher geben müssen, er wird schon biegsamer werden, von seinen Forderungen schon nachlassen müssen.

11) Ein Französisches Wort durch ein Deutsches geben, d.i. übersetzen. Dieses Wort kann nicht so gegeben, d.i. übersetzet, oder durch ein anderes erkläret, werden. Ich will es kurz geben, ausdrucken. Das war sehr gut gegeben.

12) Verfertigen, besonders von Schriften, ausfertigen; in welchem Verstande das Mittelwort gegeben noch zuweilen der Zeit der Ausfertigung einer Schrift, Vorrede oder Briefes beygefüget wird. Gegeben zu Berlin den 4. May 1774, d.i. geschrieben. Daher das Datum eines Briefes oder einer Schrift im Oberdeutschen auch die Gabe genannt wird.

13) Zwey Personen zusammen geben, im gemeinen Leben, sie copuliren, ehelich verbinden.


Laßt euch – – von des Priesters Hand – –

Ganz still zusammen geben,

Gell.


II. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben; in den meisten Fällen gleichfalls mit dem Accusativ, obgleich das Verbum im Passivo nicht gebraucht werden kann.

1) Die Bäume geben gute Balken, wenn gute Balken daraus bereitet werden können. Die Garben geben dieses Mahl wenig Getreide. Die Bäume geben vieles Obst. Frisches Getreide gibt mehr Mehl als das alte. S. Ergiebig.

2) Abgeben, d.i. seyn oder seyn können; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, welche noch im Oberdeutschen üblich ist. Er gibt einen guten Soldaten. Er hat einen artlichen Poeten gegeben, Opitz.


Die Kinder sollen Waisen geben.

Sein Weib im Wittwenstande leben,

Opitz.


S. Abgeben.

3) * Die Flucht geben, das Reißaus geben, die Flucht nehmen, ergreifen; zwey im Hochdeutschen gleichfalls veraltete Ausdrücke, wovon der erste in der Deutschen Bibel vorkommt.

4) Er gibt nichts auf meine Worte, läßt sich nicht dadurch bewegen, achtet sie nicht, folget ihnen nicht.


Die nichts durchaus auf dein Gesetze geben,

Opitz.


Er gibt nichts, weder auf mich, noch auf meine Befehle. Also gibst du auf meine Treue und Beständigkeit gar nichts? Weiße. Auf diese Tugend habe ich niemahls viel gegeben, ebend. ich habe sie niemahls sehr geschätzet.

5) Geschehen, entstehen, im gemeinen Leben, und nur in einigen Fällen; auch nur als ein unpersönliches Zeitwort. Was gibt es? was gehet vor? was für ein Lärm ist entstanden? Es hat einen rechten Zank gegeben, im gemeinen Leben. Sagen sie mir doch, was es gegeben hat. Was gibts denn für ein Geschrey? Es wird gewiß wieder etwas geben, es wird gewiß wieder ein Streit, ein Lärm entstehen. Gibts nichts Neues? Was gibts Neues? S. Begeben.

6) Da seyn, vorhanden; auch als ein Impersonale, Künste, bey denen es Grundsätze und wissenschaftliche Regeln gibt. Es gibt der gottlosen Leute zu viel, Gell. Der Gegenstände, die zum äußern Glücke gehören, gibt es eine große Anzahl, ebend. Ach, gibt es für mich noch einen heitern Himmel und eine sanfte Luft? Weiße. O klage nicht, es gibt noch edle Seelen, Gell. Dahin gehören auch die R.A. mit einigen Gerundiis. Hier gibt es was zu lachen, was zu sehen, was zu verdienen, was zu gewinnen u.s.f. hier findet sich, oder ist etwas zu lachen, zu sehen u.s.f.

7) Erhellen machen. Das gibt schon die gesunde Vernunft, läßt sich aus der gesunden Vernunft begreifen. Sein Gesicht gibt es schon, daß er ein Betrieger ist. Der Augenschein gibt es. Der Brief gibt es, aus dem Briefe erhellet es.

Anm. Statt des Hauptwortes die Gebung, ist das Abstractum die Gabe, ingleichen das Geben üblich. Das Geben hat kein Ende. Dieses Zeitwort lautet bey dem Kero keban, im Imperat. kib, im Isidor gheban, in der ersten Person des Präsens ghibu, im Tatian ih gibu, bey dem Ottfried im Imperf. ih gap, im Nieders. geven, im Holländ. gheven, im Angels. gifan, im Engl. to give, im Dän. give, im Schwed. gifwa, im Isländ. gifva, bey dem Ulphilas giban, im Griech.εγγαυω. Es stammet ohne Zweifel von dem alten Gaff, die hohle Hand her, welches noch im Oberd. Gause lautet; S. Gäspe. Da die meisten verwandten Sprachen in der ersten Sylbe ein i haben, so rühret es daher, daß auch im Hochdeutschen die zweyte und dritte Person des Präsens du gibst, er gibt, und der Imperativus gib lautet. Ja im Österreichischen sagt man auch in der ersten Person des Präsens ich gib. Es fragt sich nur, ob dieses i geschärft, oder ob es gedehnt ist, und in diesem letztern Falle giebst, giebt, gieb geschrieben und gesprochen werden müsse. Für das ie scheinet die Regel zu streiken, daß das gedehnte e, welches in geben wirklich vorhanden ist, auch in ein gedehntes i oder ie verwandelt werden müsse, so wie man von sehen du siehest, von stehlen du stiehlst, von befehlen du befiehlst sagt. Allein, daß diese Regel nicht allgemein ist, erhellet auch aus den Zeitwörtern treten und nehmen, welche gleichfalls ein gedehntes e haben, und doch ein geschärftes i bekommen, du trittst, er nimmt. Diese Regel entscheidet hier also nichts. Über dieß hat die alte Form giben, oder gibben, von welcher gibst, gibt und gib Überbleibsel sind, in den meisten verwandten Sprachen ein kurzes i, wie das Schwed. und Isländ. gifva, das Engl. und Dän. give. Da nun auch die meisten und richtigsten Mundarten in den jetzt gedachten Fällen, alle aber im Imperative ein kurzes i deutlich hören lassen, so sehe ich nicht ein, warum man den wenigen gedehnten Mundarten, welche giebst und giebt schreiben und sprechen, folgen wollte, ungeachtet sich auch Gottsched für diese letztere erklärete.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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