Geschehen

Geschehen

Geschehen, verb. irreg. neutr. ich geschehe, du geschiehest, (geschichst,) es geschiehet, (geschicht;) Imperf. ich geschahe; Mittelw. geschehen; Imperat. geschehe. Es erfordert das Hülfswort seyn, und wird nur in der dritten Person, und hier sehr oft unpersönlich gebraucht.

1. Sich zutragen, von Veränderungen, welche ohne unsere Mitwirkung wirklich werden. 1) Widerfahren, zugefüget werden, von Dingen, welche ohne unser Zuthun an uns von außen wirklich werden, mit der dritten Endung der Person, so wohl von guten, als bösen Dingen. Wenn ihnen viel Gewalt geschicht, Hiob 35, 9. Es wird dem Gerechten kein Leid geschehen, Sprichw. 12, 21. Es ist dir recht geschehen, wie du es verdienet hast. Damit geschiehet mir ein Gefallen. Es ist ihm Schaden, Abbruch, Unrecht geschehen. Es soll dir nichts geschehen, nichts Übels. Es ist uns viel Gutes bey ihm geschehen. Ich wußte nicht, wie mir geschahe, als u.s.f. Es ist ihm zu viel geschehen, Unrecht. Ach, wie ist mir geschehen? was ist mir widerfahren? 2) In weiterer Bedeutung, sich zutragen, von allen Veränderungen, welche ohne unser Zuthun wirklich werden; absolute und unpersönlich. Es geschahe, wie er gesagt hatte. Das wird in Ewigkeit nicht geschehen. So etwas geschiehet nicht alle Tage. Daher geschahe es, daß u.s.f. Zuweilen auch mit bestimmter Meldung der Sache, welche geschehen ist, in Gestalt eines Hauptwortes. Es ist ein Unglück geschehen. Aber nicht, es ist ein Aufruhr geschehen, es geschahe ein Windwirbel, ein Erdbeben, ein Brausen u.s.f. ungeachtet diese und ähnliche Ausdrücke häufig in der Deutschen Bibel vorkommen.

2. In engerer Bedeutung, zur Wirklichkeit gebracht, vollendet, gethan werden, von Handlungen und thätigen Veränderungen. Dein Wille geschehe. Was er spricht, das muß geschehen. Die Sache ist bereits geschehen, ist noch nicht geschehen. Wir wollen sehen, was geschehen wird. Es soll nicht mehr geschehen. Er ist den ganzen Tag geschäftig, und es geschiehet doch nichts, es wird nichts ausgerichtet, nichts zur Wirklichkeit gebracht. Ich muß es geschehen lassen, kann es nicht hindern.


Ich pflück ihr manchen Straus, dieß läßt sie auch geschehen,

Gell.


Die Arbeit ist geschehen. Es ist im Zorne, aus Versehen geschehen. Zu geschehenen Sachen muß man das Beste reden. Die Zeit der geschehenen Schöpfung der Welt. Die Zueignung der geschehenen Erlösung. Die Schöpfung der Welt ist durch Gottes Allmacht geschehen. Es geschahe ein Schuß. Von wem ist das geschehen? Die Ausfälle, welche von den Belagerten geschehen sind. Die Erhaltung des menschlichen Lebens geschiehet nicht unmittelbar. Alles was von unserer Seite dagegen geschehen kann. Wenn dieser Versuch geschehen ist.

Indessen kommt es auch hier oft auf den Gebrauch an, ob geschehen in manchen Fällen üblich ist, oder nicht. So sagt man im Hochdeutschen nicht, die Stimme des Herrn, oder das Wort des Herren geschah zu ihm, es geschahe eine Weißagung, u.s.f. welche Ausdrücke doch in der Deutschen Bibel nicht selten sind.

3. Figürlich. Es ist um ihn geschehen, er ist verloren, gestorben, unglücklich geworden u.s.f. actum est de illo; in welchem Verstande die Hebräer das Zeitwort היה, er ist gewesen, in Niphal gebrauchen.

Anm. Bey dem Ottfried kiskehan, bey dem Notker gischehen, im Nieders. schüen, entschüeen, im Holländ. geschieden, im Schwed. ske, im Isländ. skedur, im Lappländ. skiaddet, im Oberd. auch beschehen. Wachters Muthmaßung, daß es mit dem Latein. cadere und accidere verwandt sey, ist sehr wahrscheinlich, und wird durch die Nordischen Mundarten, welche in diesem Worte gleichfalls ein d haben, bestätiget. Die Vorsetzung des Zischlautes ist in vielen Sprachen, besonders der Deutschen, etwas sehr gewöhnliches. S. Sch. Die Franzosen haben daraus ihr escheoir gebildet. Das mittelste e wird im Hochdeutschen wie das erste, das ist wie ein Franz. e fermé, ausgesprochen; dagegen einige Mundarten, z.B. die Schlesische, es wie ein ä aussprechen. Im Oberdeutschen gehet dieses Wort in einigen Gegenden regulär; es geschehete für geschah. Das ch im Präsenti und Imperfecto, es geschicht, es geschach, gehöret gleichfalls den Mundarten zu, obgleich das erstere auch im Hochdeutschen nicht selten ist. S. Geschichte.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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