Hangen

Hangen

Hangen, oder Hängen, verb. irreg. neutr. ich hange oder hänge, du hangest, hangst oder hängest, er hanget, hangt oder hängt; Conj. ich hange; Imperf. ich hing; Mittelw. hangend, gehangen; Imperat. hange oder hänge. Es erfordert das Hülfswort haben, und bezeichnet eigentlich denjenigen Zustand, da ein Körper mit seinem obern Theile von einem andern gehalten wird, aber so, daß er noch nach den Seiten beweget werden kann.

1. Eigentlich. Der Hut hangt oder hängt am Nagel, das Kleid an der Wand, der Dieb am Galgen. Der Mantel hat schon lange an der Wand gehangen. Ein Glied der Kette hangt oder hängt an dem andern. Lange Haare, welche über die Schulter herab hingen. Herab hangende Ohren. Abraham sahe einen Widder mit seinen Hörnern in der Hecke hangen, 1 Mos. 22, 13. Der Vorhang, der vor der Lade des Zeugnisses hanget, 2 Mos. 30, 6. Ich sahe Absalom an einer Eichen hangen, 2 Sam. 18, 10. Als wenn vier oder fünf Früchte an den Zweigen hangen, Es. 17, 6. Verflucht ist jedermann, der am Holze hanget, Gal. 3, 13. In einigen R.A. wird es auch figürlich von demjenigen Körper gebraucht, an welchem andere hangen. Der Baum hangt oder hängt voll Früchte, der Galgen voll Diebe. Ingleichen in einigen Fällen im gemeinen Leben auch für gehänget werden. Er muß hangen. Antworte, oder du sollst hangen, Cron. Was hangen soll, ersäuft nicht.

2. In weiterer Bedeutung. 1) Schweben, in der höhern Schreibart. Der Himmel, der finster über mich herab hängt, Weiße.


Es hänget am Abend

Über dem Walde der silberne Mond,

Zach.


Ein zufriednes Volk, obgleich ein sparsamer Himmel

Über den traurenden Thränen hängt,

Zach.


Am Gipfel eines Wasserbergs

Hing oft mein Kahn hoch in der Luft,

Kleist.


2) Eine Fläche hangt oder hängt, wenn sie abhängig ist, sich unter den Horizont neiget. Noch mehr sagt man von stehenden Körpern, wenn sie die senkrechte Linie verlassen, daß sie hangen oder überhangen, wo es doch nur von derjenigen Seite gebraucht wird, welche mit dem Horizonte einen spitzigen Winkel macht. Die Wand hangt oder hängt. Daß ihr ihn erwürget, als eine hangende Wand oder zerissene Mauer, Ps. 62, 4. Der Thurm zu Bologna hängt drey und einen halben Pariser Fuß, er ist oben so viel von der Perpendicular-Linie entfernet. Die Stadt liegt sehr romantisch auf einem Felsen, der über der See hängt. Den Kopf hangen lassen. Im Bergbaue ist das Hangende derjenige Theil des Gesteines, der wie ein Dach auf dem Gange lieget, im Gegensatze des Liegenden, oder der untern Fläche. Bey stehenden oder senkrechten Gängen nennen die Bergleute diejenige Seite, welche auf der linken Hand ist, wenn man in diesem Gange das Gesicht nach Mittag wendet, das Hangende, und die Seite zur Rechten, das Liegende. 3) Sich mit einem Theile seines Körpers so anhalten, daß man gleichsam zu hangen scheinet. Der Blutegel hangt an der Haut. Das Kind hangt an der Brust der Mutter.


An dem kalkichten Fels hängt von dem Morgen zum Abend

Euer Winzer mit emsiger Hacke,

Zach.


4) Zusammen hangen, mit einem andern Dinge so verbunden seyn, daß es nicht ohne Mühe getrennet werden kann.

3. Figürlich. 1) Von den Blicken, Augen und Munde, gleichsam angeheftet seyn, in der höhern Schreibart. Ich hing starr an deinen Blicken, Dusch.


Stets hängt über unsre Wiegen

Dein besorgter wacher Blick,

Weiße.


Mit was für sehnsuchtsvollen Blicken

Ihr Aug an seinem Auge hing,

Gell.


2) Zusammen hangen, mit einander verbunden, in einander gegründet seyn. Die Erzählung hängt nicht zusammen. Das hängt mit seiner vorigen Aussage nicht zusammen. In der Welt hängt alles auf das vortrefflichste zusammen. S. Zusammenhang. 3) An einer Person oder Sache hangen, sein Verlangen, seine Begierden, seine Erwartung auf eine dauerhafte Art auf sie richten. Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen, und an seinem Weibe hangen, 1 Mos. 2, 24. Joab hatte an Adonia gehangen, 1 Kön. 2, 28. Sichems Herz hing an der Dina, 1 Mos. 34, 3. Mein Herz, dem alles entrissen worden ist, hängt fest an dir. Mit seinem Herzen an etwas hangen. An den Wollüsten hangen, ihnen ergeben seyn. S. Anhang. Das Reciprocum sich an etwas hängen gehöret zu dem folgenden Activo. 4) Im Oberdeutschen gebraucht man es auch für abhangen, im figürlichen Verstande, d.i. in einem andern Dinge gegründet seyn.


Der, von welchem alles hanget,

Opitz.


In welchem Verstande es aber im Hochdeutschen eben so ungewöhnlich ist, als mit dem Vorworte in, in diesen zweyen Gebothen hanget das ganze Gesetz, Matth. 22, 40. 5) Eine Sache hangt oder hängt, im gemeinen Leben, wenn sie keinen merklichen Fortgang hat. Die Sache bleibt hangen, sie bekommt einen Anstand.

Anm. Schon bey dem Kero und Ottfried hangen, im Nieders. hangen, im Engl. to hang, im Angels. hangan, im Dän. hänge, Schwed. haenga, Isländ. hanga. Es stammt von ha, hoch, ab, indem das folgende Activum noch lange hahen gelautet hat. Das eingeschobene ng kann entweder ein Zeichen eines Intensivi seyn, oder auch bloß von nieselnden Mundarten herrühren. S. das folgende hängen.

In der Conjugation dieses Neutrius herrscht im Hochdeutschen viele Ungleichheit. Im Oberdeutschen bekommt es durchgehends ein a; ich hange, du hangst, er hangt u.s.f. Infinit. hangen, Imperat. hange; welche richtigere Form auch größten Theils in der Deutschen Bibel beybehalten worden. Im Hochdeutschen ist das ä am üblichsten, nur daß das Participium alle Mahl gehangen lautet. Billig sollte man diesem Neutro überall sein a lassen, und das ä dem folgenden Activo vorbehalten; da ohnehin in so vielen andern Fällen das Neutrum sich von dem Activo auf ähnliche Art unterscheidet, wohin fallen und fällen, haften und häften, trinken und tränken, dampfen und dämpfen u.a.m. gehören. Die Nordischen Mundarten scheinen unter dem Neutro und Activo in der Conjugation eben so wenig einen Unterschied zu machen; beyde lauten im Nieders. hängen, im Schwed. haenga, im Isländ. hanga und im Dän. hänge. Das ie ist alle Mahl das Zeichen eines gedehnten i, daher ist hieng eben so fehlerhaft als, gieng, giebst, und ich fieng, wo nur einige wenige dehnende Mundarten ein langes i hören lassen.

In den Zusammensetzungen Hängebank, Hängebrücke, Hangematte u.s.f. darf das e nicht weggelassen werden, wenn nicht das g hier wider seine Absicht wie ein k lauten soll; S. E. Da das Neutrum im Hochdeutschen fast mehr hängen als hangen lautet, so hat sich auch in den meisten Zusammensetzungen dieser Art das ä eingeschlichen; in manchen aber ist so wohl a als ä üblich.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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