Kirche, die

Kirche, die

Die Kirche, plur. die -n, Diminut. Kirchlein, zusammen gezogen Kirchel, im gemeinen Leben der Hochdeutschen Kirchelchen.

1. Dasjenige Gebäude unter den Christen, welches dem öffentlichen Gottesdienste gewidmet ist; ehedem das Gotteshaus. Eine Kirche bauen, einweihen. In dem Ausdrucke Porkirche, bedeutet es auch einen Theil der Kirche, nehmlich das Chor. In der weitesten Bedeutung nennt man im gemeinen Leben ein jedes zum öffentlichen Gottesdienste bestimmtes Gebäude eine Kirche; in engerm Verstande führet nur dasjenige Gebäude dieser Art diesen Nahmen, zu welchem eine eigentliche Gemeine gehöret, zum Unterschiede von einer Kapelle. In noch engerm Verstande, erfordert man in manchen Gegenden zu einer Kirche auch, daß Pfarrhandlungen in derselben vorgenommen werden können; zum Unterschiede von einem Bethhause, in welchem dergleichen nicht Statt finden. Es wird dieses Wort nur von solchen Gebäuden unter den Christen gebraucht. Daher es ungewöhnlich und nicht nachzuahmen ist, wenn in der Deutschen Bibel, dergleichen Versammlungsörter der ältern Juden, ja sogar Götzentempel Kirchen genannt werden.

2. Die Versammlung der Gemeine eines Ortes in einem solchen Gebäude zur öffentlichen Verehrung Gottes; ohne Plural. In die Kirche gehen, den öffentlichen Gottesdienst besuchen. Zur Kirche gehen, den öffentlichen Gottesdienst nach einer wichtigen Begebenheit zum ersten Mahle feyerlich besuchen, welches von neu verehlichten Personen und Kindbetterinnen geschiehet. S. Kirchgang. In die Kirche läuten, zum öffentlichen Gottesdienste. Die Kirche versäumen. Kirche halten, im gemeinen Leben, den öffentlichen Gottesdienst halten.

3. Die Gesellschaft oder Verbindung aller derjenigen Personen, welche einerley geoffenbarten Lehrbegriff und darin gegründeten Gottesdienst annehmen. 1) Eigentlich; wo dieses Wort wieder unter mancherley Einschränkungen üblich ist. Die Kirche Gottes, alle diejenigen Personen aller Zeiten, welche den wahren Gott wenigstens äußerlich verehren und verehret haben, wenn sie gleich in vielen Stücken von einander abweichen. Die Jüdische Kirche, die Kirche alten Testamentes. Die christliche Kirche, die Kirche neuen Testamentes, welche sich wiederum in verschiedene Kirchen, d.i. Religions-Parteyen theilet. Die katholische, Römisch-katholische oder Römische Kirche. Die Griechische Kirche. Die Evangelische Kirche, die Reformirte Kirche u.s.f. Die wahre Kirche, deren Lehrbegriff und Gottesdienst der Offenbarung Gottes in der heil. Schrift am gemäßesten ist; im Gegensatze der falschen Kirche. Die sichtbare Kirche, die Gesellschaft aller derjenigen Personen, welche eine äußere merkliche Übereinstimmung des Lehrbegriffes und des Gottesdienstes haben; im Gegensatze der unsichtbaren Kirche, oder der Gesellschaft aller mit Gott vereinigten Personen, deren Verbindung unter einander nicht unmittelbar in die Sinne fällt. Die streitende Kirche, alle auf Erden in dem Zustande des natürlichen Lebens mit Gott vereinigte Personen; im Gegensatze der triumphirenden Kirche, deren Glieder die vollendeten Gerechten sind. 2) In engerer Bedeutung, die Repräsentanten der Kirche, diejenigen Personen, welche zur Vertretung ihrer Stelle verordnet sind; so wohl in der ersten Bedeutung des Wortes, da man diejenigen Personen, welche die einer Kirche gehörigen Güter in ihrem Nahmen verwalten, im gemeinen Leben häufig die Kirche nennet, als auch in der letzten Bedeutung, wo, besonders in der Römischen Kirche, die Geistlichen, und in manchen Ländern nur der Papst allein unter dem Nahmen der Kirche verstanden werden.

Anm. 1. In dieser dritten Bedeutung ist das Wort Kirche ein rühmlicher und anständiger Ausdruck, so wie Religions-Partey gleichgültig, Secte aber verächtlich ist. Man will daher nicht überall fremden Religions-Parteyen den Nahmen der Kirche zugestehen, sondern erfordert dazu das Befugniß des öffentlichen Gottesdienstes. Bey den Katholiken werden auch einzelne Bißthümer Kirchen genannt.

Anm. 2. Dieses alte Wort kommt in der ersten und dritten Bedeutung schon seit dem ersten Alter der Deutschen Sprache vor. In dem Isidor lautet es Chirichhu, bey dem Kero Chirichu, im 9ten Jahrh. Kirrichu, bey dem Notker, mit der in einigen Oberdeutschen Mundarten nicht seltenen Verwechselung des r und l, Chilichu, Chilcha, wie noch jetzt in der Schweiz Kilche, im Angels. Cyrice, Cyrc, im Engl. Kerk und Church, im Nieders. Karke, im Dän. Kirke, im Schwed. Kyrka, im Pohln. Böhm. und Wend. Cerkiew, Cirkuo. Wachter ließ sich durch das Helvetische Kilche verführen, es von dem bey dem Ulphilas befindlichen Kelikn, abzuleiten, welches daselbst so wohl einen Thurm, als auch die letzte Abendmahlzeit Christi bedeutet. Eckard und Frisch fallen auf das alte Harga, Haruga, ein Götzentempel; anderer noch unwahrscheinlicherer Ableitungen zu geschweigen. Die gemeinste Meinung ist bisher die gewesen, welche dieses Wort von dem Griech. κυριακος oder κυριακƞ abstammen lässet, welches nicht nur 1 Cor. 11, 20, und Offenb. 1, 10, sondern auch bey allen nachfolgenden christlichen Griechischen Schriftstellern so wohl einen gottesdienstlichen Tag, als auch ein gottesdienstliches Haus, und eine gottesdienstliche Versammlung bedeutet. Allein wider diese Meinung streitet, daß das Griechische Wort in die Lateinische Sprache nie aufgenommen worden, daher nicht begreiflich ist, wie und warum die ersten Deutschen Lehrer auf dieses Wort gefallen seyn sollen, da sie sich in allen andern Fällen mit der Lateinischen Sprache behalfen, und wegen ihrer Unwissenheit in der Griechischen Sprache behelfen mußten. Es bleibt daher Christ. Körbers Meinung immer noch die wahrscheinlichste, welcher glaubt, daß dieses Wort eine buchstäbliche Übersetzung des Latein. und Griech. Ecclesia sey, und daher von kören, kiesen, abgeleitet werden müsse, den Begriff der Auswahl, des auserwählten Volkes auszudrucken, welcher in diesem Worte herrschet; zumahl da es hundert andere Beyspiele gibt, daß man bey der Einführung der christlichen Religion in Deutschland, die christlichen Kunstwörter buchstäblich übersetzte, die Bedeutung des Latein. Ecclesia auch so unbekannt nicht war, indem Notker für Kirche in der dritten Bedeutung auch Samanunga, Vuichsamanunga, Prut Samenunga, Prutha Menunga, gebraucht. Alsdann würde die zweyte Bedeutung die erste eigentliche, die erste aber die letzte figürliche seyn müssen.

In der zweyten und dritten einfachen Endung wird diesem Worte, wie so vielen andern weiblichen auf e, von manchen noch ein unnützes n angehänget, der Kirchen für der Kirche, welches sich auch in die folgenden Zusammensetzungen eingeschlichen hat.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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