Kunst, die

Kunst, die

Die Kunst, plur. die Künste, Diminut. das Künstchen, Oberd. Künstlein, und zusammen gezogen Künstel. Es stammet vermittelst des Ableitungslautes st von können her, dessen Abstractum es eigentlich ist, und hat nach Maßgebung des verschiedenen Gebrauches dieses Zeitwortes, auch verschiedene Bedeutungen. 1. * Die physische oder körperliche Kraft eines Dinges, die Möglichkeit eine Bewegung oder Veränderung außer sich hervor zu bringen; eine veraltete Bedeutung, in welcher man nur noch zuweilen im gemeinen Leben sagt, seine Kunst an jemanden oder an einem Dinge beweisen, seine Stärke, Macht oder Kraft. In den Monseeischen Glossen ist Chunstiger mächtig. Auf eine ähnliche Art bedeutete Kraft ehedem so wohl im Schwed. als im Angels. figürlich auch die Kunst und Wissenschaft. Bruder Eberhard von Sax sagt in seinem Lobgedichte auf die Jungfrau Maria:


Got in sines geistes bruinste

An dir zeigte sine Kuinste;


wo es eine ähnliche Bedeutung zu haben scheinet.

2. In engerer Bedeutung, menschliche Kraft, und was darin gegründet ist, im Gegensatze der Natur in der weitesten Bedeutung; ohne Plural. So sagt man von einem Graben auf dem Felde, von einem beschnittenen Baume, er sey ein Werk der Kunst und nicht der Natur, weil in der Erde und dem Baume nichts vorhanden ist, woraus diese Veränderung begreiflich würde. Ein herrlicher Garten, den die erfindsame Kunst für ihn ins Kleine gezogen, Zach. Wir sollten nicht so wohl die Spielwerke der Kunst, als die hohen Talente der kunstlosen Natur bewundern.

3. In noch engerer Bedeutung, die Fertigkeit etwas zur Wirklichkeit zu bringen.

1) Eigentlich und subjective, wo dieses Wort von allen Arten von Fertigkeiten gebraucht wird. Eine Kunst erfinden. Jemanden eine Kunst lehren. Viele Künste können oder wissen. Der Hund kann allerley Künste. Kartenkünste, Taschenkünste, brotlose Künste. Das ist keine Kunst, dazu gehöret keine Fertigkeit, das kann ein jeder. Dazu gehöret Kunst. Seine Kunst an jemanden sehen lassen. In engerer Bedeutung, die Fertigkeit, die Ausübungssätze einer Art gehörig anzuwenden. Die Regierungskunst, die Kunst zu predigen, die Gedächtnißkunst, die Sprachkunst, die Vernunftkunst u.s.f. Warum lernen doch die Menschen nicht die liebenswürdige Kunst, den Unglücklichen so zu beklagen, daß es ihm nichts kostet? Sokrates lernete die Kunst seines Dialogs von dem Epicharmes. Die Kunst des Schneiders, des Zimmermanns, des Schusters u.s.f. Die ihm unentbehrliche Fertigkeit zur Hervorbringung seiner Werke. Ingleichen im Gegensatze der Natur, oder dessen, was zu den Arten des Vermögens und der Fähigkeiten gehöret, ehe sie zur Fertigkeit werden; als ein Collectivum und ohne Plural. In ihrem ganzen Betragen ist nichts Kunst, alles ist Natur.

2) Objective, der Inbegriff der Ausübungssätze Einer Art, oder derjenigen Ausübungssätze, welche zur Erreichung einer Absicht erfordert werden, und zu ihrer Anwendung eine Fertigkeit erfordern; wo es wiederum so viele verschiedene Arten der Künste gibt, als Fertigkeiten möglich sind.

Die mechanischen Künste, welche allein eine Fertigkeit der Hand erfordern, und daher am häufigsten Handwerke genannt werden. Die Schneiderkunst, Bäckerkunst, Schuhmacherkunst u.s.f. so fern sie eine Fertigkeit in Ausübung mechanischer praktischer Vorschriften erfordern. In einer andern Einschränkung sind die mechanischen Künste diejenigen, welche hauptsächlich eine Fertigkeit der Hand erfordern, ohne das Nachdenken und Fleiß bey deren Ausübung auszuschließen, besonders, wenn sie nicht bloß auf das Bedürfniß, sondern auch zugleich mit auf das Vergnügen der Menschen gerichtet sind. In diesem Verstande gibt es verschiedene Beschäftigungen, welche sich von den Handwerken unterscheiden, und für ihre Lebensart den Nahmen der Kunst hergebracht haben. Z.B. die Jägerkunst, die Buchdruckerkunst, die Barbierkunst, die Kunst des Instrumenten-Machers, des Uhrmachers, des Steinschneiders u.s.f. Ja selbst unter den eigentlich so genannten Handwerkern gibt es einige, welche bey Hervorbringung ihrer Arbeiten vorzüglich mit auf das Vergnügen der Menschen sehen, und daher in der Ausübung mehr Fleiß und Anwendung allgemeiner Wahrheiten gebrauchen, als andere. Diese pflegen alsdann das Wort Kunst- dem Nahmen ihrer Beschäftigung vorzusetzen; z.B. der Kunstdrechsler, Kunstgärtner, Kunstfärber, Kunstmahler u.s.f.

Die freyen Künste, eine ehedem übliche Benennung derjenigen Künste, welche von freyen Personen ausgeübet wurden, zum Unterschiede von den bloß mechanischen oder unfreyen, welche in Griechenland und bey den Römern von Knechten getrieben wurden. Man zählete deren sieben; die Sprachkunst, Rechenkunst, Redekunst u.s.f. Bey unserer heutigen Verfassung sind an die Stelle der freyen Künste die schönen Künste getreten, unter welchem Nahmen man diejenigen begreift, welche allein oder doch vornehmlich das Vergnügen zum Gegenstande haben, und daher in ihrer Ausübung mehr Kenntniß und Anwendung allgemeiner Wahrheiten erfordern als die bloß mechanischen. Dahin gehören die Tonkunst, die Mahlerkunst mit ihrer Schwester der Kupferstecherkunst, die Baukunst, die Bildnerkunst, die Redekunst, die Dichtkunst, die Tanzkunst, die Schauspielkunst, und wenn man will noch andere mehr. Die Bildnerkunst, Mahlerkunst und Kupferstecherkunst werden unter der allgemeinen Benennung der bildenden Künste verstanden.

In engerer Bedeutung pflegt man die schönen Künste zuweilen nur die Künste schlechthin zu nennen. Sein Geschmack, der durch die Künste feiner und sichrer geworden, wird es auch in der Lebensart, Gell.

In noch engerer Bedeutung werden die bildenden Künste sehr häufig vorzugsweise die Künste, oder noch mehr im Singular die Kunst genannt. Unter den Griechen war die Kunst zur höchsten Vollkommenheit gestiegen. Alte Denkmähler der Kunst. Ein Liebhaber der Kunst. S. viele der folgenden Zusammensetzungen.

Ja einzelne Künste werden zuweilen nur die Kunst schlechthin genannt, doch mit einem Beyworte. Die schwarze Kunst, eine Art in Kupfer zu graben, wo die Platte ganz mit Strichen über das Kreuz angefüllet, und hernach das verlangte Bild durch stärkere oder geringere Auslöschung dieser Striche hervor gebracht wird. Ein Kupferstich in schwarzer Kunst, der auf solche Art gearbeitet ist. In einem ganz andern Verstande ist die schwarze Kunst so viel als Hexerey, Zauberey; wo der Ausdruck eine übel gerathene buchstäbliche Übersetzung des mittlern Lat. Nigromantia ist, welches aus Necromantia verderbt worden.

Aus allem erhellet, daß das Wort Kunst bloß die Fertigkeit in Anwendung der Ausübungssätze, und den Inbegriff dieser Vorschriften und Regeln ausdruckt, daß es also von allen denjenigen Disciplinen gebraucht werden kann, welche zu ihrer Ausübung eine solche Fertigkeit erfordern. Ja einerley Disciplin kann in verschiedener Betrachtung so wohl eine Kunde, als eine Kunst, als endlich auch eine Wissenschaft genannt werden. Die Arzeneykunde, ist die historische Kenntniß oder klare Vorstellung von allen zur Heilung des menschlichen Körpers nöthigen Dingen; die Arzeneykunst, die Fertigkeit in Ausübung der zur Heilung gehörigen Vorschriften, und die Arzeneywissenschaft endlich, die Einsicht der Gründe und die Fertigkeit diese Vorschriften aus unwidersprechlichen Gründen unumstößlich darzuthun. Eben so sind schöne Künste und schöne Wissenschaften unterschieden. 4. In noch engerer Bedeutung, Fertigkeit mit Mühe, Fleiß und Nachdenken verbunden; ohne Plural. Es ist viele Kunst an einem Gemählde. Der Ring ist mit vieler Kunst gearbeitet. Wo es oft im nachtheiligen Verstande von der sorgfältigen Anwendung willkührlicher Vorschriften gebraucht und alsdann der Natur entgegen gesetzet wird, besonders in den Werken der Kunst, d.i. der bildenden Künste. Das schmeckt nach der Kunst.

5. Ein Werk der Kunst, ein durch Hülfe der Kunst hervor gebrachtes Ding. In dieser Bedeutung wird besonders eine künstliche Maschine, das Wasser aus der Tiefe zu heben, die Wasserkunst, das Kunstgezeug, und im gemeinen Leben nur schlechthin die Kunst genannt. Schwed. gleichfalls Konst. S. viele der folgenden Zusammensetzungen. Bey den Bäckern einiger Gegenden, z.B. zu Leipzig, ist die Kunst ein Kasten mit einem Boden von Drahte, das Wasser von dem genetzten Weitzen wieder wegzuschaffen. An andern Orten wird er die Wasserseige genannt.

6. * Gelehrsamkeit, Wissenschaft; von können, so fern es ehedem auch wissen bedeutete. Eine jetzt veraltete Bedeutung, in welcher Kunst bey dem Ottfried und Chunst bey dem Notker vorkommen.

Anm. Es stammet von können her, und sollte daher billig Kunnst geschrieben werden. Allein die Weglassung des einen n ist beynahe so alt als das Wort selbst, und hat auch die Beyspiele der Wörter Gunst, Brunst u.s.f. vor sich. Im Dän. und Niedersächs. lautet es gleichfalls Kunst, im Schwed. Konst, im Pohln. Kunszt. Kero gebraucht dafür noch Listi, S. List.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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