Lösen

Lösen

Lösen, verb. reg. act. von dem Bey- und Nebenworte los, los machen, wo es doch unter verschiedenen Einschränkungen gebraucht wird.

1. So fern los locker bedeutet, ist lösen lockerer machen, den festen Zusammenhang zum Theil aufheben, wo es zugleich den Begriff der Behuthsamkeit mit einschließet; im gemeinen Leben auch lüften. Das Halsband, das Strumpfband, die Binde lösen, sie lockerer machen. Eine Schraube lösen, sie lockerer schrauben. Einem Kinde die Zunge lösen, sie beweglicher machen, durch Zerschneidung eines Theiles der Bande, womit sie unten befestiget ist. In figürlichem Verstande löset man jemanden die Zunge, wenn man ihn zum Reden beweget. Der Gärtner löset die Rinde eines Baumes, wenn er ein Auge zur Fortpflanzung hinein setzen will. Zusammen gekleistertes Papier von einander lösen. So auch in der Zusammensetzung ablösen. Hierher gehöret auch die bey den Jägern übliche figürliche R.A. sich lösen, oder als ein Neutrum lösen, oder losen, seine Nothdurft verrichten, doch nur von vierfüßigen Thieren, eigentlich sich leichter machen, sich erleichtern, welche Ausdrücke auch wohl in diesem Verstande vorkommen. Los, locker und leicht sind der Abstammung nach genau mit einander verwandt. S. Losung.

2. Allen Zusammenhang zwischen zwey Dingen völlig aufheben.

1) Eigentlich von körperlichen Dingen; wo es in der weitesten Bedeutung doch nur in den zusammen gesetzten ablösen und auflösen vorkommt. In engerer Bedeutung. (a) Von Dingen, welche gebunden, oder durch Bande befestiget sind, mit dem Nebenbegriffe der Behuthsamkeit. Bey den Jägern werden die Hunde gelöset, wenn man sie von dem Hängeseile, von dem Fangstricke oder von der Koppel los bindet, sie in Freyheit lässet. Eben daselbst werden die Archen und Windleinen gelöset, wenn sie los gemacht oder los gebunden werden. Den Ochsen von der Krippe lösen, Luc. 13, 14. Einen Knoten lösen, für auflösen. In vielen Fällen ist dafür ablösen üblicher. Auch die biblischen R.A. einen Gefangenen von den Banden lösen, Apostelg. 22, 30, ihm die Bande auf einige Zeit abnehmen, der Herr löset die Gefangenen, Ps. 146, 8, setzet sie in Freyheit, befreyet sie, sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. (b) Von Dingen, welche gespannet sind, mit dem Nebenbegriffe der Geschwindigkeit; wo es besonders von dem Geschütze und Feuergewehren üblich ist. Eine Pistole, eine Büchse lösen, eigentlich durch Abdrückung des Hahnes, los schießen, los brennen. In weiterer Bedeutung auch von andern Arten des Geschützes. Die Kanonen lösen.

2) Figürlich, von sittlichen Banden und Einschränkungen befreyen. (a) In der weitesten Bedeutung, wo es doch nur noch in der biblischen Schreibart üblich ist, im Gegensatze des Bindens. Ein Gesetz lösen, es aufheben. Die Sünde lösen, die Schuld und Strafe derselben aufheben. Die Gewalt zu lösen und zu binden, Sünde zu vergeben und zu behalten. Was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los seyn, Matth. 16, 19. Von der Befreyung von andern Arten des sittlichen Zwanges, von einer Gefahr u.s.f. ist erlösen üblicher, obgleich das einfache Zeitwort bey ältern Schriftstellern noch häufig vorkommt. Und löst ihn dadurch aus der Noth, Theuerd. Die zu lösen so ihm flehn, Opitz. (b) In engerer Bedeutung, durch ein Äquivalent von einer Verbindlichkeit befreyen. So löset man sich im gemeinen Leben durch ein Geschenk, wenn man angebunden worden, oder auch sonst eine Verbindlichkeit hat, dem andern ein Geschenk zu machen. (c) In noch engerer Bedeutung, durch ein Äquivalent von dem Eigenthumsrechte eines andern befreyen. Die Erstgeburt vom Esel sollt du lösen mit einem Schafe, 2 Mos. 13, 13. Das Leben des Ochsen lösen, Kap. 21, 30, erkaufen. Wer etwas von den Leviten löset, 3 Mos. 25, 33, das ihnen heim gefallen war. Den Acker lösen, der dem Herren geheiliget war, Kap. 27, 19. In dieser Bedeutung sind die zusammen gesetzten ablösen, auslösen und einlösen jetzt üblicher. Doch sagt man noch, sich lösen, sich mit hundert Thalern lösen, sich aus der Gefangenschaft oder Sklaverey los kaufen. Ehedem lösete man auch Pfänder, welche man jetzt einlöset. Hierher gehöret, (d) auch die dem ersten Anscheine nach sonderbare R.A. Geld lösen, d.i. Geld als ein Äquivalent für seine Waare oder Arbeit einnehmen, oder bekommen, eigentlich, es durch ein Äquivalent an Waare von dem Eigenthume eines andern befreyen. Geld für seine Waare lösen. Geld aus den Waaren lösen. Wir haben heute noch nichts gelöset. Wenn Thoren zu Markte gehen, so lösen die Krämer Geld. Jemanden Geld zu lösen geben, ihm Geld zuwenden, machen, daß er es einnehme. Ottfried gebraucht losen im thätigen Verstande für bezahlen, so wie das Lat. solvere so wohl auflösen, los machen, als bezahlen bedeutet. Wie es aber gekommen, daß unser lösen von der thätigen zur passiven Bedeutung, für bezahlet werden, übergegangen ist, ist schwer zu sagen. Im Schwed. lautet es in dieser passiven Bedeutung lossna, wo aber selbige aus der Endung -na, im Deutschen -nen, leicht begreiflich wird. Frisch führet verschiedene Beyspiele an, woraus erhellet, daß gelösen, gelosen und verlosen ehedem auch für verkaufen gebraucht worden.

So auch die Lösung, in allen obigen Bedeutungen. Siehe aber auch Losung.

Anm. Bey den ältern Oberdeutschen Schriftstellern losan, auch noch jetzt im gemeinen Leben einiger Mundarten losen und lossen, im Nieders. lösen, bey dem Ulphilas lausjan, im Angels. lesan, lysan, im Isländ. leisa, im Schwed. lösa, im Engl. to loose, im Dän. lose, im Lat. laxare und luere, welches letztere ehedem eigentlich bezahlen bedeutete, im Griech. λυσαι, λυζειν, λυειν. S. das Beywort Los, Lassen, Losung, Schließen u.s.f. Ottfried gebraucht für erlösen noch irlaren, woraus zugleich die Verwandtschaft mit unserm leer und verlieren, Verlust erhellet. Das Neutrum dieses Activi, losen, gelosen, einer Sache los werden, ist veraltet. S. 1. Losen.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

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