Muße, die

Muße, die

Die Muße, plur. inus. die von ordentlichen Beschäftigungen, von Berufsgeschäften übrige oder freye Zeit, Befreyung von ordentlichen Geschäften. Die Poesie will Muße haben. Meine Berufsgeschäfte lassen mir nicht viele Muße übrig. Gute Muße haben, hinlängliche von pflichtmäßigen Geschäften freye Zeit. Seine Muße gut anwenden. Die gelehrte Muße, gelehrte Anwendung der von Berufsgeschäften freyen Zeit. Wenn ich mehr Muße bekommen werde. Junge Leute muß man immer beschäftigen, und ihnen zu Thorheiten keine Muße lassen, Sonnenf. Etwas mit Muße verrichten, sich hinlängliche bequeme Zeit darzu nehmen. Ingleichen die völlige Freyheit von allen pflichtmäßigen Beschäftigungen. Die Ehre wohnet nicht auf dem Rosenbette der weichlichen Muße. Zur Trägheit in den Armen einer wollüstigen Muße gewöhnt, findet er (der Zärtling des Glücks) die Tugend und die Verdienste zu mühsam, Dusch.

Anm. Dieses alte Wort lautet schon bey dem Kero und Ottfried Muaze. Der letzte gebraucht es auch für Zeit überhaupt, in themo muaze, in dieser Zwischenzeit, indessen. In den Monseeischen Glossen ist Muozu so wohl otium als licentia; Muozigi wird daselbst durch vacuitas, und muozigero Slaffi durch lenti torporis erkläret. Bey dem Notker ist Vnmuozzeeheit Beschäftigung, und bey dem Willeram muozegan, gemuozegan, sich einer Sache entschlagen, sich Muße von ihr verschaffen, und im Kero muozzan Zeit seyn. Im Ital. ist musare und im Franz. muser müßig seyn, müßig gehen, daher in der letztern Sprache amuser die Zeit, die Muße und deren unangenehme Empfindung vertreiben. Im mittlern Lateine ist Musardus und im alten Französ. Musar ein müßiger, träger, dummer Mensch. Aus allem erhellet, daß der Begriff der Ruhe, des Mangels der Bewegung, in diesem Worte der herrschende ist, welcher durch dessen Seitenverwandte noch mehr bestätiget wird. Im gemeinen Leben einiger Gegenden ist müsseln so wohl als nüsseln zaudern, und müsselig zauderhaft, langsam in seinen Verrichtungen. Im Nieders. bedeutete musen ehedem in tiefem Nachdenken versunken seyn, wie noch jetzt das Engl. to muse und das Holländ. muisen, muiseneren, wovon noch unser Duckmäuser und Kalmäuser herstammen. S. auch 2 Maus und 2 Mausen, wo zugleich der verwandte Begriff der Heimlichkeit, der Verborgenheit mit eintritt. Es kann seyn, daß die Bedeutungen des Wortes Muße und aller seiner Verwandten bloße Figuren von dem veralteten musen, flistern, murmeln, sind, wovon das Lat. mussitare und das Nieders. musseln, mustern in eben dieser Bedeutung noch als Intensiva oder Frequentativa üblich sind. Papias erkläret das mittlere Lat. musare durch dubitat in loquendo, murmurat. Musen würde also eigentlich eine Nachahmung des musselnden Lautes seyn, zu welcher sich alle übrige Bedeutungen als Figuren verhalten würden. Übrigens ist das Wort Muße mit den folgenden Ableitungen und Zusammensetzungen bloß den Hoch- und Oberdeutschen Mundarten eigen. Die Niederdeutschen und mit ihnen verwandte Sprachen kennen es nicht.


http://www.zeno.org/Adelung-1793. 1793–1801.

Игры ⚽ Нужно решить контрольную?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Muße — Beschaulichkeit, Dolcefarniente, freie Zeit, Freizeit, Mußestunde, Nichtstun, Ruhe[pause], Stille; (veraltet): Otium. * * * Muße,die:⇨Freizeit Muße 1.Zeit,Freizeit,Ruhe,Ruhepause,Stille,Beschaulichkeit,Mußestunde,Mußezeit,(süßes)Nichtstun,Dolcefar… …   Das Wörterbuch der Synonyme

  • Muße — die Muße (Aufbaustufe) geh.: Zeit, die einer Person zum Nutzen nach eigenem Wunsch zur Verfügung steht Synonyme: Freizeit, Mußestunde, Ruhepause Beispiel: Er hat nicht genügend Muße, einen gründlichen Schwimmkurs zu besuchen …   Extremes Deutsch

  • Muße — Muße, Befreiung von Geschäften u. Lebenszerstreuungen, denen man aus äußeren conventionellen Rücksichten, od. auch zu Folge einer moralischen Obliegenheit, od. auch eines äußeren Zwanges, sich nicht entziehen kann, bes. in so fern die dadurch… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Muße — »Untätigkeit, Ruhe; freie Zeit«: Die nur dt. Substantivbildung (mhd. muoz̧e, ahd. muoz̧a) ist eng verwandt mit dem unter ↑ müssen behandelten Verb und gehört mit der Sippe von ↑ messen zu der umfangreichen Wortgruppe von 1↑ Mal »Zeitpunkt«. Das… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Die Kunst des Liebens — ist ein populäres gesellschaftskritisches Werk des Sozialpsychologen Erich Fromm, erstmals erschienen 1956. Inhaltsverzeichnis 1 Allgemeines 2 Die Theorie der Liebe 2.1 Die Arten der Liebe …   Deutsch Wikipedia

  • Die Schlacht — (franz.: La Bataille) ist ein preisgekrönter historischer Roman des französischen Schriftstellers Patrick Rambaud aus dem Jahr 1997 (deutsche Ausgabe: 2000). Er beschreibt aus französischer Sicht, sehr wirklichkeitsnah und weitgehend an den… …   Deutsch Wikipedia

  • Die sieben Weisen — (griech.: οἱ ἑπτά σοφοί, hoi hepta sophoi) sind eine von der Nachwelt so bezeichnete Gruppe von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der griechischen Antike (spätes 7. und 6. Jahrhundert v. Chr.). Die überlieferten Listen nennen teilweise… …   Deutsch Wikipedia

  • Die Zikaden — ist ein Hörspiel von Ingeborg Bachmann, das Ende 1954 in Neapel[1] entstand und am 25. März 1955 mit Musik von Hans Werner Henze im NWDR Hamburg gesendet wurde. Im selben Jahr lag der Text im Druck vor („Hörspielbuch 1955“ (Bd. 6), Europäische… …   Deutsch Wikipedia

  • Muße — Mit Muße bezeichnet man die Zeit, welche eine Person nach eigenem Wunsch nutzen kann, um sich zu erquicken und zu erbauen, etwa seiner Muse oder den Musen frönend. Nicht alle Freizeit ist gleichzeitig auch Muße, da viele Freizeitaktivitäten… …   Deutsch Wikipedia

  • Muße — Mu|ße [ mu:sə], die; : freie Zeit und [innere] Ruhe, in der man seinen eigenen Interessen nachgehen kann: dazu fehlt mir die Muße; im Urlaub habe ich Zeit und Muße, ein Buch zu lesen. * * * Mu|ße 〈f. 19; unz.〉 Ruhe u. Zeit, ruhige, beschaul.… …   Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”